- Minstrel-Show
- Minstrel-Show[amerikanisch, 'mɪnstrəlʃəʊ], im 19. Jahrhundert in den USA verbreitete und außerordentlich populär gewordene Form der musikalischen Bühnenunterhaltung. Dabei handelte es sich um abendfüllende Show-Programme aus Liedern, Tänzen und kurzen Sketchen, in denen als Neger verkleidete Weiße Kultur, Musik und Verhalten der Afroamerikaner zur Belustigung ihres Publikums karikierten. Die Bezeichnung dafür geht zurück auf die Minstrel genannten englischen Spielleute des Mittelalters. Herumziehende Sänger waren es auch in Nordamerika, die um die Wende zum 19. Jahrhundert damit begannen, sich als Neger zu maskieren und in Extravaganzas genannten musikalisch-schauspielerischen Darbietungen eine Karikatur auf den amerikanischen »Südstaaten-Neger« vorzuführen. Die Darbietungen solcher Blackface-Entertainer gehörten ab der Jahrhundertwende zum Standardrepertoire in den vielen Wanderzirkussen und kleinen Varieté-Theatern, wo sie als Pausenfüller dienten. Sie bildeten auch im Äußerlichen allmählich einen Typ heraus, der von der denunzierenden und rassistischen Komik des »Negerdandy« lebte — dem zwangsläufig vergeblichen Versuch einer angeblich minderwertigen Kreatur, den »feinen Mann« zu spielen. Ausstaffiert mit blauem Zylinder, roter Seidenjacke oder blauem Frack, gestreifter Hose, Lackschuhen, Stöckchen in der Hand, mit rußgeschwärztem Gesicht und einem breit geschminkten weißen Mund entwickelten sie einen Stereotyp, der fortan zum Sinnbild der Minstrelsy wurde. Die Kontrastgestalt dazu, der zerlumpte, dümmliche »Plantagen-Neger«, geriet demgegenüber mehr und mehr in den Hintergrund. Bei den mit Banjo begleiteten Liedern der solistisch auftretenden Minstrel-Sänger handelte es sich um die Vorläufer der Coon-Songs.Zu den erfolgreichsten frühen Minstrel-Sängern gehörten George Washington Dixon und vor allem Thomas D. Rice (1808-1860), der auch als »Vater der amerikanischen Minstrelsy« (Gilbert Chase) bezeichnet wird. Er nämlich machte diese Form der Bühnenunterhaltung landesweit und selbst im Ausland, in Europa, wirklich populär und regte damit ihren Ausbau zur abendfüllenden Show an, wobei die Verkleidung aller Mitwirkenden als Neger die besondere Attraktion blieb. Als Erstes seiner Art gilt das im Februar 1843 in New York vorgestellte Show-Programm der Virginia Minstrels, einer vierköpfigen, mit Violine, Banjo, Bones und Tamburin besetzten Gruppe — unter ihnen als Geiger auch der später zu einem der wichtigsten Komponisten für die Minstrel-Shows avancierte Daniel Decatur Emmett (1815-1904), der vor allem mit dem Song »Dixie's Land« (1859) bekannt geworden ist (Dixieland). Auch die Form der Minstrel-Show geht auf die Virginia Minstrels zurück, die ihr einen festen formalen und dramaturgischen Rahmen gaben. Danach bestand sie aus zwei Teilen, wobei der erste eine durch kurze Dialoge locker miteinander verbundene Folge von Liedern bildete, während der zweite — auch als Olio bezeichnet — ein in sich geschlossenes Bühnenstück mit einem konkreten Handlungsverlauf in der Art der Posse darstellte. Den Abschluss bildete ein Walk-around, eine gemeinsame Gesangs- und Tanznummer der Mitwirkenden, die auf einen Tanz der Afroamerikaner zurückgeht, bei dem sich die Tänzer zu einem marschähnlichen Rhythmus im Kreis bewegen. Das musikalische Repertoire bestand aus Cakewalks, Plantation-Songs und Coon-Songs. Zwischen 1850 und 1870 gehörten die Shows der Blackface-Minstrelsy zu den beliebtesten Formen der musikalischen Bühnenunterhaltung in den USA. In dem Maße, wie sie den Charakter des Sensationellen und der Attraktion verloren, versuchte man ihre Attraktivität durch eine immer größere Zahl von Mitwirkenden aufrechtzuerhalten. 1880 hatten die Minstrel-Truppen im Durchschnitt bereits hundert Mitglieder, und dieser Prozess führte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts schließlich zu ihrem raschen Verfall. Die Bedeutung der Minstrel-Shows für die Entwicklung der populären Musik liegt darin, dass sie mit der Nachahmung der afroamerikanischen Formen des Musizierens der Entwicklung von Ragtime und Jazz den Weg geebnet haben, auch wenn sie mit ihrer karikierenden Stereotypisierung der Schwarzen eindeutig eine kulturelle Manifestation des Rassismus in den USA waren.
Universal-Lexikon. 2012.